Die Lyrikerin Rose Ausländer und der Nordpark

Wer sich mit Sprache beschäftigt (wie ich als Journalistin) und Gedichte mag, der stößt früher oder später auf die Lyrik von Rose Ausländer. Dem Gros der Deutschen ist diese Ausnahmebegabung unter den Dichterinnen in deutscher Sprache aber wohl kaum bekannt.
In spielerischer Leichtigkeit scheint sie immer das genau passende Wort zu finden.

ein kleiner Gedichtband von Rose Ausländer

Ganz anders sieht es mit ihrer Bekanntheit dagegen in ihrem Geburtsort auf: Czernowitz (Chernivzy) in der südlichen Ukraine, nicht weit von der moldawischen Grenze und Rumänien entfernt. Dort hängt eine Plakette an ihrem Geburtshaus – ich habe es im Mai 2018 besucht – am 11. Mai war ihr Geburtstag:

In diesem Haus wurde Rose Ausländer 1901 geboren.

Nicht nur auf kyrillisch – damit Besucher wie ich die Tafel auch verstehen.

So richtig gut in Schuss ist ihr Geburtshaus nicht. Es ist im gleichen leicht zerfallenen Zustand wie viele andere Gebäude auch – also ziemlich typisch für ein Haus in Czernowitz.

Eine Ecke von ihrem Geburtshaus entfernt ist ein kleiner Park, in dem im Mai 2018 eine Statue ihr zu Ehren aufgestellt wurde.

Eine selbstbewusste Schönheit – so ist Rose Ausländer in Czernowitz in Erinnerung geblieben.

In Düsseldorf lebte Rose Ausländer ab 1970 rund 18 Jahre lang direkt am Düsseldorfer Nordpark im jüdischen Senioren-Wohnheim und liebte es, im Park zu spazieren … bevor sie sich viele Jahre vor ihrem Tod entschied, das Haus nicht mehr zu verlassen und sich ganz den Worten und ihrer Dichtung zu widmen.

Sie hatte ein bewegtes Leben, das sie von der Bukowina über Wien und New York – zeitweise besaß sie sogar die amerikanische Staatsbürgerschaft, die ihr allerdings wegen dreijähriger Abwesenheit (in der Zeit pflegte sie ihre Mutter in Czernowitz) wieder aberkannt wurde. Es folgte die Inhaftierung als Jüdin, Versteck vor den Nazis, Freundschaft mit Paul Celan. Nach Düsseldorf zog es sie wegen der vergleichsweise großen jüdischen Gemeinde.
https://www.deutschelyrik.de/index.php/auslaender.html

Und zum Schluss lasse ich Rose Ausländer mit ihren Gedichten sprechen. Bei dem ersten stelle ich mir immer vor, dass sie es nach einem Spaziergang im Nordpark verfasst hat:

Manchmal spricht ein Baum …

Manchmal spricht ein Baum
durch das Fenster mir Mut zu
Manchmal leuchtet ein Buch
als Stern auf meinem Himmel
manchmal ein Mensch,
den ich nicht kenne,
der meine Worte erkennt.

…und dies hier, das ihre Wortgewalt perfekt zeigt:
Treffen

Papierbogen
Schneefläche gespannt
auf der meine Finger
Pfeilen gleich fliegen
zu ihrem Bestimmungsort
Bestimmungswort
Wortreise
minutenweit
und weiter
bis zum Punkt
wo ich mich treffe
mit deinem Wort

(gefunden auf der Webseite: http://www.gedichte-garten.de/forum/ftopic108.html)

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