Eine Schönheit kegelt auf der Königsallee

Sportlich ist die junge Frau. Ihre Bewegung eingefroren, die Kugel in ihrer rechten Hand wird im Bruchteil einer Sekunde losfliegen. Wirft sie gleich alle Neune? Denn die Kugelspielerin oder auch Ballspielerin, die in dem kleinen Park am unteren Ende der Königsallee – gleich neben der Graf-Adolf-Straße – steht, kegelt. Oder spielt sie Boule, Pétanque oder Boccia? Welchen Regeln ihr Spiel folgt, bleibt ihr Geheimnis.

Ihr dünnes Gewand stellt ihren schlanken Körper eher noch heraus als dass er ihn verhüllt. Ein Hauch Jugendstil umweht die Figur.

Auf der am Sockel angebrachten Tafel steht „Prof. Walter Schott, „Die Kugelspielerin“, Geschenk von Gustav Herzfeld 1902″

Das führte bei mir natürlich sofort zu der Frage, wer denn diese beiden Herren waren. Und ich wurde fündig – natürlich mal wieder in der Wikipedia, wo man hier zu dem Künstler Walter Schott nachlesen kann: https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Schott

Zum Spender Gustav Herzfeld findet sich dort nichts. Umso interessanter dieser Artikel in den Potsdamer Neuesten Nachrichten über den Stolperstein, der für ihn in Potsdam in den Boden eingelassen wurde:
https://www.pnn.de/potsdam/30-stolperstein-in-potsdam-verlegt-ein-stolperstein-fuer-potsdamer-rechtsanwalt-gustav-herzfeld/21359504.html

Für den Fall, dass der Artikel irgendwann mal hinter einer Bezahlschranke verschwindet, hier der Absatz über Herzfelds Vita: Geboren wurde Gustav Herzfeld am 7. Mai 1861 in New York als Sohn einer Bankiersfamilie. Noch im Kindesalter zog er mit seiner aus Neuss am Rhein stammenden Familie zurück nach Deutschland. Nach Potsdam kam er 1903 gemeinsam mit seiner Frau Elise und dem Sohn Joachim. Er ließ ein repräsentatives Haus in der heutigen Geschwister-Scholl-Straße 54, die Villa Herzfeld, errichten. 1909 wurde er christlich getauft. Als angesehener Rechtsanwalt und Potsdamer Bürger wird Herzfeld beschrieben. So soll er unter anderem Mittellose beraten haben. Aber auch eine Geliebte hatte er in diesen Jahren – bekannt ist das, weil die Affäre zu einem in den Akten dokumentierten Rechtsstreit führte, als Herzfelds Ehefrau von der Sache Wind bekam. Im Ersten Weltkrieg dann ein großer Schicksalsschlag: Der Sohn fiel als Soldat. Wenige Jahre später beging Herzfelds Frau Selbstmord. Der Anwalt zog um in die Potsdamer Straße. Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, wurde er – wie alle Christen jüdischer Herkunft – zunehmend isoliert und schikaniert. Er musste die Kanzlei aufgeben, das Haus verkaufen und wurde schließlich 1942 deportiert. Um dem Schicksal zu entgehen, versuchte er kurz vorher, sich das Leben zu nehmen – vergebens. Gustav Herzfeld starb am 27. Oktober in Theresienstadt.

-> Herzfeld schenkte den Düsseldorfern diese Statue also ein Jahr bevor er fortzog.

Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang ein Online-Katalog der Stadt Düsseldorf, in dem sie alle ihre Kunstwerke im öffentlichen Raum vorstellt – und zwar nicht nur mit den reinen Daten wie Titel, Künstler, Entstehungsjahr, sondern auch die Hintergründe erzählt, die ein Denkmal erst so richtig interessant machen:

https://emuseum.duesseldorf.de/view/objects/asitem/items$0040:138504

Die „Kugelspielerin“, die als berühmteste Figur Walter Schotts gilt, entstand 1897 und existiert in zwei verschiedenen Ausführungen, bekleidet und unbekleidet. Sie wurde hundertfach in den unterschiedlichsten Materialien ausgeformt und unter anderem von der Meißener Porzellanmanufaktur verlegt. Die „Kugelspielerin“ zählte so zu den beliebtesten Figuren der damaligen Zeit und wurde zu einem Verkaufsschlager des Kunsthandels. 1902 schenkte der jüdische Textilfabrikant und Stadtverordnete Gustav Herzfeld der Stadt Düsseldorf einen 1,40 Meter hohen Bronzeguss, den man im Kunstmuseum unterbrachte. 1932 kam diese Skulptur am Graf-Adolf-Platz zur Aufstellung, wobei die Aufstellungskosten sich auf 200.000 Mark beliefen.

Wegen der jüdischen Herkunft von Herzfeld sollte die Skulptur im nationalsozialistischen Deutschland im Jahr 1935 entfernt werden. Aufgrund der Fürsprache des Kunstakademiedirektors Fritz Roeber durfte die Skulptur aber öffentlich ausgestellt bleiben, solange das Metallschild mit der Aufschrift „Geschenkt von Herrn Gustav Herzfeld“ entfernt wurde.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde die „Kugelspielerin“ im Rahmen der „Bronzespende des Deutschen Volkes“ abgebaut und entging nur knapp der Einschmelzung. Am 18.4.1946 aufgestellt, verschwand die Figur nach Zerstörungen und wegen akuter Diebstahlsgefahr ein weiteres Mal am 29.10.1946. Seit dem 29.4.1947 steht die „Kugelspielerin“ wieder auf ihrem angestammten Platz. Mehrmals (1946-1947, 1951, 1964, 1981, 1990-1991) musste die Skulptur, die in den Jahren 1951 und 1964 gewaltsam von ihrem Sockel gestoßen wurde, instandgesetzt werden. Seit 1982 ist sie mit einer Bronzetafel versehen und 1991 bekam sie zudem einen neuen Sockel. Seit 1984 hat die Kreissparkasse Düsseldorf die Patenschaft für das Denkmal übernommen. 1989-1990 fand sich die „Kugelspielerin“ als Leihgabe in der Berliner Ausstellung „Ethos und Pathos“ wieder.
Heute ist der Name Herzfeld wieder an der Statue angebracht.

Im Hintergrund steht die Plastik des Bergischen Löwen, der von seinem Sockel über den Kö-Graben blickt, über den ich in diesem Blog bereits geschrieben habe.

Das Hetjens-Museum besitzt übrigens eine Porzellan-Version der Kugelspielerin:
https://emuseum.duesseldorf.de/objects/523068/kugelspielerin

Habe ich Sie mit dieser Statue nun neugierig gemacht, mit mir durch die Stadt zu spazieren und noch mehr Geschichten zu erfahren? Wenn ja – dann kontaktieren Sie mich!

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