Im Sommer 2024 ist auf der Fassade des großen Warenhauses Woolworth am Oberbilker Markt ein Fenster entstanden. Es schwebt mitten in den Wolken – wie im Himmel. In dem Fensterrahmen mit seinen hölzernen Klappläden sitzt ein Paar, sie hat sich auf seinen Schoß gelegt, seine Beine baumeln aus dem Fensterrahmen. Sie träumen. Durch das Fenster sieht man einen grafisch anmutenden Hintergrund. Auf den ersten Blick könnte man denken, es handelt sich um Gitterstäbe. Doch bei genauerer Betrachtung ist es eine Hochhaus-Landschaft: lauter identische Wohnungen mit Fenstern. Wie Bienenwaben – nur Wohnwaben.
Das Bild stammt vom österreichisch-französischen Künstlerpaar Jana & JS aus der Nähe von Graz. Sie schaffen Stencil Art, also keine freihand-gesprühte Graffiti. Dabei arbeiten sie mit Schablonen in verschiedenen Layern, pro Farbe eine Schablone. Sie bereiten die Schablonen im Atelier vor und kommen dann mit großen Rollen an, um ihr Werk auf die Hauswand zu bringen. Zum Vergleich: Banksy arbeitet immer nur mit einem Layer.
Zu sehen ist die Auswirkung der Urbanität: Zwar bringt eine Stadt viele Menschen nah zueinander, weil sie eng gedrängt wohnen, doch entsteht dadurch keine menschliche Nähe. Auf der Webseite der Urban Art-Galerie Pretty Portal sind die beiden so beschrieben: „In ihren Bildern setzen Sie sich mit der Situation von Menschen im Lebensraum Stadt auseinander. Vor dicht aneinander gedrängter Architekturlandschaft zeigen Sie Individuen, die einerseits verloren und isoliert, aber auch suchend, sehnend und hoffnungsvoll wirken.“ Galerie-Chef Klaus Rosskothen holte die beiden nun schon zum wiederholten Mal nach Düsseldorf.


Für die Stencils arbeiten Jana & JS ausschließlich mit ihren eigenen Fotos.
Das österreichische Duo verschönerte auch den Pavillon auf dem Fürstenplatz. Dort wurde ihr Bild allerdings im Laufe der Zeit schon beträchtlich übersprüht.
Zu sehen ist hier das gleiche Thema: ebenfalls ein Paar, das die Köpfe vertraut aneinanderlegt. Auch diese beiden Menschen schauen sich nicht an. Sie blicken nach unten, vermutlich auf ihre Handys, die sie in den außerhalb des Bildes befindlichen Händen halten. Im Hintergrund eine Hochhausszene mit vielen identisch aussehenden Wohnungen mit Balkonen. Sie stehen für die Anonymität im Hochhaus- und Großstadtdschungel. Und noch nicht mal die Liebe des Paars kann diese Vereinsamung überwinden. Es ist also ein schönes Bild mit einer weniger schönen Message… oder auch die Aufforderung: Kümmert euch umeinander! Seht euch an! Oder: Legt die Smartphones aus der Hand – nur dann werdet ihr den Menschen in eurem Gegenüber wirklich wahrnehmen!


Jana & Js haben etliche Jahre lang in Madrid und Paris gelebt. Inzwischen sind sie nach Österreich zurückgekehrt. Sie leben und arbeiten jetzt in Salzburg.
Mehr von Jana & Js findet sich auf Instagram: www.instagram.com/janaundjs
Über andere Street-Art- und Urban-Art-Künstler und ihre werke habe ich in diesem Blog auch schon geschrieben:
Metraeda schafft Straßenkunst aus Dreiecken
Gute Geister überwachen uns von Schildern
Zarte Mädchen (k)leben auf der Straße
und immer wieder Harald Naegeli: Kunst-Asyl für Harald Naegeli, Von der Straße in den Bilker Bunker und Besuch in Harald Naegelis Atelier in Zürich.
Lust auf eine sehr subjektive Führung zu Düsseldorfs Street und Urban Art? Dann kontaktiere mich!