Weiße Worte mahnen vor dem Grauen eines Krieges

Eigentlich schreibe ich nicht zweimal über das gleiche Denkmal. Eigentlich. Aber hier ist es nicht mehr das gleiche Denkmal. Denn seit ein paar Wochen ist das Gefallenen-Ehrenmal nicht mehr so wie vorher. Auf den Backsteinen des Sockels sind – mit weißem Acrylstift per Hand geschrieben – Texte zu lesen. Es sind Zitate aus Feldpostbriefe, die Frauen an ihre Männer im Ersten Weltkrieg geschrieben haben. Die Rede ist vom Denk- und Mahnmal, das schräg vor der Tonhalle steht und über das ich bereits geschrieben habe: Der Krieger blickt aufs Tonhallen-Rondell.

„Denkmäler überdenken“ heißt das Projekt des Literaturbüros NRW, im Rahmen dessen sich die in Oberbilk lebende Künstlerin Vera Vorneweg dazu entschlossen hat, den Sockel dieses Denkmals zu überschreiben. Sie rief öffentlich dazu auf, ihr dazu Feldpostbriefe aus dem Ersten Weltkrieg zur Verfügung zu stellen. Wer sich jetzt die Zeit nimmt, die gut lesbare Handschrift zu entziffern, dem öffnet sich die persönliche Alltagswelt in Zeiten eines grausamen Krieges. Private Zeichen – und genau deshalb berühren sie den Lesenden.

Ob es sich bei dieser Fleißarbeit um ein bleibendes Werk handelt, oder ob es – vergleichbar mit Graffiti und Urban Art – im Laufe der Zeit von Wind und Regen abgewaschen wird und verblasst? Warten wir’s ab… Ich würde mir eine dauerhafte Konservierung wünschen. Denn mit dieser Schrift-Kunst ist eine Übertragung des historischen Erinnerungsmals in die heutige Denk- und Kunstwelt gelungen.

Zur Info für Passanten, die von der Stadtbahn-Haltestelle Tonhalle/Ehrenhof zur Tonhalle direkt daran vorbeikommen, hat Vera Vorneweg mit ihrem weißen Acrylstift auch die Erklärtafel des Rübsam-Ehrenmals mit einigen erklärenden Sätze ergänzt.

Der WDR drehte vor einigen Jahren einen kleinen Film über Vera Vorneweg. Mir hat er geholfen, die wort- und schriftgewaltige Künstlerin zu verstehen:
https://www.ardmediathek.de/video/westart/vera-vorneweg-beschriftet-ihre-heimatstadt-duesseldorf/wdr/Y3JpZDovL3dkci5kZS9CZWl0cmFnLXNvcGhvcmEtN2JhYTc1ZTQtNjNkZi00ZWQwLWE3YzMtM2Y3NmE1YWFmMGY4

Für das Kunstprojekt „überdenken – überschreiben“ des Literaturbüros NRW haben fünf Wort schaffende Künstler*innen Düsseldorfer Denkmäler literarisch neu in Szene gesetzt. Neben Vera Vorneweg waren dies Jana Buch, Sven-André Dreyer, Kaleb Erdmann und Tracy Michalik. Zum Jahresende soll dazu eine Publikation erscheinen. Infos dazu unter literaturbuero-nrw.de.

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