Müllers Schlussverkauf vor der Reise in den Tod

Gestern vor 87 Jahren zertrümmerten SS-Männer Geschäfte von jüdischen Kaufleuten. Früher Reichskristallnacht genannt, heute Reichspogromnacht. An diese menschenverachtende Zeit soll mein heutiger Blog-Beitrag erinnern.

Inzwischen wurden mehr als 400 Stolpersteine in Düsseldorf verlegt. Die kleinen Messing-Pflastersteine tragen die Namen und wesentlichen Lebensdaten von durch die Nationalsozialisten Verfolgten. Die meisten erinnern an einstige jüdische Mitbürger. Vor der Berger Allee 3 gegenüber vom Stadtmuseum sind zwei Steine für Simon und Flora Müller.

In diesem Haus wohnten die jüdischen Eheleute mit ihren Kindern von 1910 – als Tochter Grete geboten wurde – bis 1933. In dem Jahr verlobte sich Grete. Drei Jahre lang wohnten die Müllers dann in der Königsallee 38/40, bis sie 1936 erneut umzogen, um gemeinsam mit Grete und ihrem Mann Erich Süskind in der Stromstraße 4 zu wohnen.

Simon Müller besaß in der Bolkerstraße (damals Nr. 28 A) ein Herrenbekleidungsgeschäft. Am 22. Juli 1938 schrieb er folgenden Brief an seine Kunden – denn er musste seinen Laden auf Druck der Nationalsozialisten aufgeben. Die Nazis hatten es insbesondere auf gutgehende Geschäfte jüdischer Inhaber abgesehen, die sie lieber in arischer Hand ihrer Gefolgsleute sehen wollten – gleichzeitig ein „Goodie“ für treue Verfechter der Bewegung: „Hiermit erlaube ich mir, Sie zum Besuch meines diesjährigen Sommer-Schluss-Verkaufs einzuladen… Es ist dies die letzte Einladung, da mein Geschäft in Kürze in andere Hände übergeht oder ausverkauft wird. … Daß mir der Abschied von meinem schönen, volkstümlichen Geschäft, welches ich in jahrzehntelanger mühevoller Arbeit aufgebaut habe, schmerzlich ist, werden alle verstehen, die meine Firma kennen. Falls Sie wegen Mangel an Bedarf oder sonstwie verhindert sind zu kommen, sage ich Ihnen hiermit auf diesem Wege verbindlichen Dank und herzlichst Lebewohl, Ihnen alles Gute wünschend mit bester Empfehlung. S. Müller „

Als ich diese Verabschiedung von ihren Kunden las, dachte ich nur: „Der Herr hatte Stil und Benimm!“

In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November wurde das Geschäft komplett demoliert und musste anschließend aufgegeben werden.

Im September 1939 zogen die Eheleute Müller nach Duisburg zu Floras Bruder. Tochter Grete und Schwiegersohn Erich hatten es im Juni 1939 geschafft, nach Bolivien auszuwandern.

Am 10. Dezember 1941 wurden Flora und Simon Müller über den Schlachthof-Güterbahnhof Düsseldorf ins Ghetto Riga transportiert. Sie überlebten nicht. Ihre genauen Todesdaten sind unbekannt.

Quelle: gedenkbuch-duesseldorf.de/memory-book/mueller-flora/

Diesen Stolperstein finanzierte eine Spende des Vereins Düsseldorfer Stadtführer, in dem ich auch Mitglied bin.

Haben Sie Interesse, sich mit mir auf Düsseldorfs Spuren zu Toleranz, Diversität – und Verfolgung – zu begeben? Kontaktieren Sie mich!

Dieser Beitrag wurde unter Besondere Orte in Düsseldorf, Stadtführungen, Tipps und Infos abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.