Hinkels gar nicht so kleine Backstube

Als Wirtschaftsjournalistin schaue ich mir gerne Unternehmen an – und habe mich ein Loch in den Bauch gefreut, dass ich mir nach Feierabend und Ladenschluss die Backstube der Bäckerei Hinkel anschauen durfte – der Bäckerei der Brotfreunde. Fangen wir mal mit ein paar Fotos an:

Die Chefin selbst führte uns durch die Backstube in der Hohe Straße: Sophie Hinkel ist eine Powerfrau – ständig in Bewegung, sodass auf kaum einem Foto sind die Hände scharf sind ;) Schon früh packte sie mit an, formte schon als Schülerin als Ferienjob bei Papa tagelang Brötchen und gab ihnen den typischen Schnitt. 2500 Brötchen pro Tag gingen durch ihre Hände. Dann studierte sie Internationales Management mit Schwerpunkt Personalwesen in Maastricht an der School of Business and Economics, absolvierte im eigenen Betrieb eine Bäcker-Ausbildung, auf den die Meisterschule folgte. Bei Brot kann man ihr nichts vormachen.

Als Vater Josef Hinkel zum Bürgermeister wurde musste der Familienbetrieb den Übergang von Generation vier auf fünf meistern und Sophie wurde überraschend früh Chefin. Oft erzählt sie von ihrem Großvater oder Vater und warum durch deren Entscheidungen heute vieles so ist, wie es ist. Gegründet wurde die Bäckerei Hinkel an der Gladbacher Straße, so dann an den Marktplatz in die Altstadt. Im Zweiten Weltkrieg ausgebombt, erfolgte der Aufbau rasch in der Hohe Straße. „Die Menschen brauchten ja etwas zum Essen“, schildert sie. Die Familie lebt über der 800 qm kleinen Backstube, die allerdings mittlerweile bis zur Bastionstraße durchgeht.

Der erste Bäcker startet seine Frühschicht um Mitternacht, um 3:30 Uhr kommen die Kollegen dazu. Die Spätschicht beginnt um 7 Uhr früh. Für mich „Nachteule“ sind das utopische Arbeitszeiten ;)

Sie gab auch einen kleinen Einblick in die wirtschaftliche Situation einer handwerklichen Bäckerei: Die Hälfte des Umsatzes geht für Personalkosten drauf. Denn immerhin hat sie 110 Mitarbeitende, davon allein 35 Bäcker. 12 Auszubildende in allen drei Ausbildungsjahren lernen das Handwerk bei Hinkel.

Auf eine mögliche Expansion angesprochen winkt Sophie ab: Kein Platz. Außerdem sei es nicht leicht, gute Bäckereifachverkäufer*innen zu finden. Aktuell verkauft sie rund 80 Prozent in den beiden Läden in der Carlstadt und Altstadt. 20 Prozent B2B, an Wiederverkäufer, Hotels und immer mehr auch an Firmenkantinen. Die Unternehmen wollten mit einem qualitativ hochwertigem Mittagstisch ihre Mitarbeitenden aus dem Home-Office wieder ins Büro locken. Mehr als ein Fünftel solle das perspektivisch aber nicht werden.

Als Gästeführerin bin ich sehr oft mit US-amerikanischen Gruppen unterwegs. Die Gäste suchen Brezel. Darauf angesprochen, gab Sophie eine persönliche Vorliebe preis: Während für ihren Vater nur die harten schwäbischen Brezel die einzig wahren seien, bevorzuge sie die weicheren bayerischen. Deshalb greife sie selbst zur Laugenstange.

Das geht mir ebenso. Aber in einem anderen Punkt stimme ich mit Sophie nicht überein: Für sie gehören in einen Stollen weder Zitronat noch Orangeat. Da ich aber während meiner Jahre in Dresden mit dem dortigen Stollen sozialisiert wurde, gehört für mich beides unbedingt rein. Dafür werden die Rosinen im Hinkel-Stollen in Killepitsch eingelegt und die Mandeln in Schumacher-Altbier. Wie heißt es so schön: Über Geschmack lässt sich trefflich streiten ;)

Ab Frühherbst stehen in einem Regal große Plastikwannen voller dunkler Teigmasse: Um eine gute Printe zu werden, muss der Teig mindestens 3 Monate ruhen. Dafür findet sich Platz – trotz der räumlichen Enge. Wat mutt, dat mutt – hier gibt man Alles für die höchste Qualität.

Über die Bäckerei Hinkel habe ich übrigens vor fünf Jahren einen Blog-Beitrag veröffentlicht. Damals wurde sie zur besten Bäckerei Deutschlands gekürt.

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